Tagesseminar zu Alfred Sohn-Rethels „Ökonomie und Klassenstruktur des deutschen Faschismus“
► 08.12.18, 14:00-19:00 Uhr
Alfred Sohn-Rethel war ein marxistischer Ökonom und Philosoph. Er wurde 1899 in Paris geboren und studierte ab 1917 in Heidelberg Nationalökonomie und in Berlin Philosophie. In den 20er Jahren stand er im Austausch mit einigen Mitarbeitern des Frankfurter Instituts für Sozialforschung. 1931 kam er – nachdem sein Versuch im akademischen Betrieb unterzukommen gescheitert war – zu einer Anstellung in der „Höhle des Löwen“, dem Mitteleuropäischen Wirtschaftstag (MWT). Der MWT war ein Interessensverband der führenden deutschen Industrieunternehmen und Banken und hat wie kein anderer zur Bündelung der Interessen des deutschen Großkapitals beigetragen. Durch seine Arbeit erhielt er Einsicht in die politischen Überlegungen und Strategien wichtiger Kapitalfraktionen in der Phase des Übergangs zum Faschismus. Die Beobachtungen und Analysen, die er über seine Tätigkeit anstellte, sind in „Ökonomie und Klassenstruktur des deutschen Faschismus“ festgehalten.
Sohn-Rethels Aufzeichnungen sind eine bemerkenswerte historische Quelle für das Verständnis der ökonomischen (Vor-)Bedingungen des deutschen Faschismus. Darin steht die Metamorphose der kleinbürgerlich-rebellischen faschistischen Bewegung zur staatstragenden Partei im Mittelpunkt seiner Betrachtung. In diesem Prozess bildete sich eine Allianz der faschistischen Bewegung mit Großkapital und Reichswehr heraus. Erst diese „Verlötung“ von Industrieinteressen und den politischen Ambitionen einer zunächst selbstständig entstandenen faschistischen Bewegung konnte die Gegensätzlichkeit zwischen politischen und ökonomischen Restaurationsbewegungen zugunsten einer politischen Ökonomie der nationalen Erneuerung auf faschistischer Linie überbrücken. Die „ökonomische Definition des Faschismus“ (Sohn-Rethel) bestehe dabei in der Entkopplung der kapitalistischen Produktion vom Markt und ihrer Reorganisation nach rein betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit.
Durch die terroristische Zerschlagung der Arbeiter*innenbewegung werde die innere und durch die Eroberung und Absicherung eines erweiterten Marktes die äußere Voraussetzung für eine neue Expansionsstrategie des deutschen Kapitals gelegt.
Obwohl über die ökonomische Faschismus-Analyse sicher zu streiten sein wird, sind Sohn-Rethels Aufzeichnungen und Anekdoten, die er als Mitarbeiter des MWT anlegen konnte, noch heute lesenswert. Im Angesicht des gegenwärtigen Aufstiegs der „Neuen Rechten“ vor dem Hintergrund chronischer Überakkumulation von Kapital und verschärfter Konkurrenz scheint Sohn-Rethels Analyse aktuell. Sie wirft die Frage auf, ob auch heute bestimmte Kapitalfraktionen ihr Heil in der faschistischen Krisenlösung suchen könnten. Um die zukünftige Entwicklung unter diesem Gesichtspunkt zu analysieren, können Sohn-Rethels Aufzeichnungen methodische Hinweise und Anregungen geben.
Im Tagesseminar werden wir „Ökonomie und Klassenstruktur des deutschen Faschismus“ diskutieren. Die Lektüre des Textes wird vorausgesetzt. Er ist abrufbar unter folgendem Link: https://archive.org/details/AlfredSohn-rethel-OekonomieUndKlassenstrukturDesDeutschenFaschismus/page/n11
Verbindliche Anmeldungen bitte durch Mail an diese Adresse: maulwuff9 (at) riseup.net
Die TeilnehmerInnenzahl ist auf 15 beschränkt. Bei der Anmeldung werden wir eine geschlechtliche Quotierung vornehmen.