Neuer Lesekreis: Thomas Harlan „Heldenfriedhof“ // „Rosa“

Neuer Lesekreis: Thomas Harlan „Heldenfriedhof“ // „Rosa“

Auftakttreffen: 19.10.2020, 20:00 Uhr, translib

Anmeldung unter: Aalfred-Liscoow41@riseup.net.

Thomas Harlans Romane „Rosa“ (2000) und „Heldenfriedhof“ (2006) sind ein Versuch der Auseinandersetzung mit dem Holocaust, vorrangig dabei sind in diesem Fall jedoch die Täter*innen im Fokus der Betrachtung. Mit dieser Fokussierung steht Harlan bis heute fast allein im deutschsprachigen Raum. Dabei entwickelt Harlan, in „Heldenfriedhof“ noch weit komplexer als in „Rosa“, einen eigenen Erzählstil, verschränkt Dokumentarisches mit Fiktionalem, löst Erzählpositionen auf und überwirft damit jede lineare Herangehensweise an Erzählen und Sujet. Wahrheit scheint damit zu einem möglichen Konstrukt zu werden; gleichzeitig fußen beide Romane auf ausführlichen Recherchen Harlans zum Verbleib deutscher NS-Täter in der BRD nach 1945. Diese nie veröffentlichte Recherche, die als „Das Vierte Reich“ publiziert werden sollte, bildet den Grundstock und das detaillierte Wissen Harlans zur Fiktionalisierung der Realität. In unserem offenen Lektürekurs im communistischen Labor ist zu fragen, ob Harlan mit diesem alptraumhaften Erzählen dem Verständnis der historischen Ereignisse, in ihrer geschichtlichen Tragweite, weitaus näher kommt als eine Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen zum Thema. Was kann Prosa in diesem Zusammenhang leisten und wo sind die Grenzen der Aufklärung? Welche Erkenntnis kann diese Form der Bearbeitung freilegen? Und wieso bleiben diese Romane im deutschsprachigen Bereich weitestgehend unbeachtet?

Thomas Harlan: verkürzend häufig vorgestellt als der Sohn von Veit Harlan, der Hausregisseur des NS-Regime, verantwortlich für das propagandistische Flaggschiff „Jud Süß“, deswegen als erste Künstler der Geschichte angeklagt wegen Verbrechen gegen die Menschheit, freigesprochen und auf Händen aus dem Gericht getragen – mit diesem Erbe sieht sich Thomas Harlan Zeit seines Lebens konfrontiert, zieht die Konsequenz und beginnt ab Ende der 50er Jahre mit Recherchen zu dem Verbleib deutscher Täter*innen nach dem Ende des Krieges. Aus den Archiven in Polen entsteht eine Brieffreundschaft zu Fritz Bauer, Planungen für jenes umfangreiche Buch „Das Vierte Reich“, ein Sammelsurium zu deutschen Tätern und ihrer ungestörten Fortexistenz in der BRD. Das Projekt scheitert und liegt bis heute unabgeschlossen im Archiv in Berlin. Thomas Harlan wendet sich in den 70er Jahren dem Film zu, begleitet die Nelkenrevolution in Portugal, dreht mit dem ehemaligen SS-Obersturmbannführer und Leiter des Einsatzkommandos 9, Alfred Filbert, 1984 den Film „Wundkanal“. 2000 erscheint sein erster Roman, „Rosa“. Thomas Harlan ist zu diesem Zeitpunkt 71 Jahre alt. 2006 folgt „Heldenfriedhof.“ Viele Materialien, gesammelt für „Das Vierte Reich“ finden hierbei Verwendung. 2010 stirbt Thomas Harlan in Schönau am Königssee.

Angedacht ist ein offener Lesekreis zu Thomas Harlan. Zur Auswahl stehen zwei seiner literarischen Werke: „Heldenfriedhof“ aus dem Jahr 2006 und der Roman „Rosa“ von 2000. Mit welchem Buch begonnen wird, soll gemeinschaftlich entschieden werden. Wir treffen uns am Montag, 19.10., um 20:00Uhr im großen Veranstaltungsraum der translib für ein erstes Kennenlernen und Besprechen, wie wir in dem Lektürekurs verfahren wollen. Unter den geltenden Hygienebestimmungen können maximal 10 Personen an dem Lektürekurs teilnehmen. Deshalb meldet euch bitte bis zum 15.10. unter folgender Emailadresse an: Aalfred-Liscoow41@riseup.net.

A – B – C: Hitler – Himmler – Heydrich. Thomas Harlan bei Dreharbeiten zu „Wundkanal“ 1980