Kritik und Organisation. Diskussion über die Scherbentheorie. Februar 2014
Dem Siegeszug der klassenlosen Klassengesellschaft steht das hiesige subversive Milieu als ohnmächtiger Trümmerhaufen gegenüber. Ohne Aussicht auf eine bewußte Bewegung, die den bestehenden Zustand aufhebt, und weit davon entfernt selbst ein antagonistischer Faktor zu sein, bleibt die Praxis der verschiedenen Szenen und Subzenen, Gruppen und Grüppchen auf sich selbst bezogen: Man trifft sich regelmäßig bei Vorträgen, gerne in der Rolle der passiven Zuschauer_innen von Szenestars, organisiert Seminare und Demos, engagiert sich in der Antifa oder Antira, hängt auf Voküs, Queer Parties oder Kneipenabenden rum. Im besten Fall hat man mal eine gute Diskussion, schafft eine Publikation, die sich verbreitet oder erprobt hier und da ansatzweise neue Formen der Kollektivität. Meistens jedoch weisen Theorie und Praxis nicht über den eigenen Bekanntenkreis hinaus. Schließlich kommt der Punkt, wo die eigene Zeit zu schade wird, um sie auf Plena und den immergleichen abendlichen Vorträgen zu verbringen.
Gegen diese Tendenzen richtet sich die 2012 erschienene Scherbentheorie des ehemaligen Club für sich. Sie rückt dem behaglichen Szeneleben auf den Leib und denunziert dessen Beschränktheit. Auf Grundlage dieses Textes (online: Scherbentheorie) möchten wir den gegenwärtigen Zustand der Organisation revolutionärer Theorie und Praxis diskutieren und insbesondere deren oftmals völlig unbewusst reproduzierten Formen zum Gegenstand der Kritik machen. Dabei geht es uns um die Frage, welche neuen Formen und Orte der Auseinandersetzung und Assoziierung es geben kann, auf deren Basis eine communistische Organisation und Selbstbildung möglich werden könnte.
Thesen:
1.
Die Gruppe als die gegenwärtige Organisationsform der radikalen Linken beschäftigt sich meist nur mit einzelnen Momente des Bestehenden, oft mit der Konsequenz, den Bezug zur kapitalistischen Totalität und zur notwendigen Forderung ihrer Aufhebung zu verlieren. Dies führt zu Vereinseitigung, Zersplitterung und Isolierung der Gruppen und deren Praxis voneinander.
2.
Die revolutionäre Linke krankt nicht daran, dass sie sich zuviel streitet, sondern daran dass sie sich viel zu wenig streitet. Diskussionsveranstaltungen führen selten zu den erwünschten Auseinandersetzungen. Eines der großen Defizite der Kommunistinnen heute ist ihre so darniederliegende kümmerliche Debattenkultur. Ihre gegenseitige Ignoranz und das Verharren in den eigenen Ideologie- und Organisationsgefängnissen ist fatal. Der Zersplitterung liegen inhaltliche Differenzen zugrunde, die durch Diskussionen offen ausgetragen werden müssen.
3.
Die Zersplitterung wird sich nicht durch ständig wechselnde, kurzweilige Kooperationen aufheben lassen. Es wird darum gehen müssen, langfristige und verbindliche Koalitionen Kooperationen einzugehen, um den Rahmen für eine verallgemeinerte Kommunikation zu schaffen: Orte wo sich Leute kennenlernen, streiten und assoziieren können.
4.
Die eigene Proletarität darf nicht als nebensächliche Existenz neben der politischen Aktivität in der Freizeit abgespalten werden. Vielmehr muss sie selbst Gegenstand der Reflexion und Praxis werden. Das bedeutet zum einen: sich Klarheit über die eigenen Arbeits- und Reproduktionsbedingungen zu verschaffen und diese damit auf einen allgemeinen Begriff zu bringen.
5. Die Organisation der revolutionären Partei im historischen Sinne, beginnt als Organisierung der Selbstbildung.
Reader mit weiterführenden Texten zur Analyse des jetzigen Zustandes: sowohl des Kapital – und also Klassenverhältnisses und dessen Entwicklungstendenzen, als auch der Organisationsversuche der Kommunist_innen heute.