Erstes Treffen:

01.April 2015 | 19h | @translib

Wir wollen einen gemeinsamen Forschungs- und Diskussionszusammenhang über die gegenwärtige Realität und die Entwicklungstendenzen des Klassenverhältnisses sowie die Aktualität des (marxschen) Klassenbegriffs etablieren.
Den Ausgangspunkt bildet für uns die sehr allgemeine Feststellung des fortdauernden Antagonismus von Proletariat und Bourgeoisie, die im von der translib verfassten Koalitionspapier am Anfang der Selbstverortung steht. Im Rahmen der öffentlichen Diskussion über das Koalitionspapier wurden die Fortexistenz dieses Klassenantagonismus sowie die Aktualität der Begriffe ‚Proletariat‘ und ‚Bourgeoisie‘ angezweifelt. Dieser Zweifel bezog sich einerseits auf die Rolle bzw. Existenz einer bürgerlichen Klasse angesichts der zunehmenden Trennung von Eigentum und Verwaltung des Kapitals und damit zusammenhängend der Vergesellschaftung des Privateigentums in kapitalistischer Form bspw. als Aktiengesellschaft. Mit Blick auf den Begriff des Proletariats stand zur Debatte, ob die zunehmende Fragmentierung und Differenzierung der Klasse der Lohnabhängigen, der Verallgemeinerung der Lohnabhängigkeit zum Trotz, die Klassenbestimmung nicht obsolet machte. Mit Blick auf die subjektive Seite des Klassenverhältnis wurde außerdem in Frage gestellt, ob es überhaupt noch Formen von Klassenbewußtsein und Klassenauseinandersetzungen gäbe, die diesen Namen verdienten.
Wir wollen uns gemeinsam mit den aufgeworfenen Problemen und Fragen auseinandersetzen. Die leitende Fragestellung dieses kleinen Experiments kollektiver Forschung ist für uns die nach der revolutionstheoretischen Bedeutung des Klassenverhältnisses heute. Dabei möchten wir uns weder mit der Kapitalanalyse von 1867 bescheiden noch in den pauschalen „Abschied vom Proletariat“ einstimmen. Vielmehr geht es uns darum, eine theoretisch geleitete empirische Forschung anzustoßen, in der begriffliche Arbeit und Untersuchung der konkreten Realität und Tendenzen der kapitalistischen Arbeitsteilung verbunden werden. Für eine kommunistische Praxis sind solche Forschungen wichtig. Denn nur auf der Grundlage eines theoretisch-reflexiven Verfahrens lassen sich die gesellschaftlichen Tendenzen und damit die Möglichkeiten kritischer, bewußtseinsfördernder Eingriffe bestimmen. Ohne eine Aktualisierung der Revolutionstheorie mit Blick auf die heutige Klassenrealität läuft eine solche Praxis Gefahr, auf die Probleme einer sozialen Emanzipation nur traditionalistisch-dogmatische Lösungsvorschläge zu entwickeln oder in der (post-)modernen Beliebigkeit zu verharren und damit jeweils den aktuellen Widerspruchserfahrungen äußerlich zu bleiben. Uns schwebt nicht vor, einen weiteren Lesekreis aufzumachen, vielmehr stellen wir uns eine Art Forum zum Austausch über und zum Anstoß von verschiedenen Forschungsprojekten vor. Wie eine sinnvolle Form des kollektiven Forschens aussehen könnte, möchten wir bei einem ersten Treffen überlegen.

klav

Still aus dem Film Klassenverhältnisse

(Jean-Marie Straub / Danièle Huillet, 1984)