Wir dokumentieren ein Flugblatt, das erstmals bei den Gegenaktivitäten zur zweiten Demonstration der LEGIDA am 21.Januar 2015 in Leipzig verteilt wurde.
Georg Grosz, Republikanische Automaten (1920)
Für eine kommunistische Zivilisierung von Abendland & Morgenland.
Gegen das Hauen und Stechen um Brosamen des weltgesellschaftlichen Reichtums!
Für eine rücksichtslose Kritik der Religion samt ihres nationalreligiösen Abkömmlings.
Es scheint, als würden wir derzeit Zeuginnen der Konsolidierung einer autoritären Bewegung in Deutschland. Dieser Prozess, der europaweit schon seit vielen Jahren im Gange ist, nahm 2014 auch hierzulande Fahrt auf. P*egida und Co sind also keineswegs isolierte Phänomene. Die Anhänger stehen auch hierzulande nicht alleine und es hilft nicht weiter, die Gefahr einer internationalen Faschisierung bannen zu wollen, indem man die Demonstrationen zu einer Dresdner oder Leipziger Kuriosität verharmlost. P*egida formiert sich in einem gesellschaftlichen Klima anhaltender sozialer Kämpfe, die bisher aber von den herrschenden Klassen dominiert werden und sich in massiven Verschlechterungen der Lebenssituation der ungeheuren Mehrheit der Menschen in Europa niederschlagen: Lohnkürzungen, Leih- und Zeitarbeit, Kürzung von Arbeitslosenhilfe und sozialer Daseinsvorsorge greifen überall um sich. Doch statt eines Eintretens für die eigenen Klasseninteressen und einer Solidarisierung unter den Betroffenen sehen wir vor allem die Wahl- und Mobilisierungserfolge nationalistischer und fremdenfeindlicher Parteien neuen Typs und einen immensen sexualpolitischen Rollback. In diesem Klima gediehen im letzten Jahr die anhaltenden Mobilisierungen gegen Geflüchtete (Schneeberg, Leipzig-Schönefeld etc.), die nationalistischen Friedensmahnwachen, die Attraktion des Islamischen Staates für nicht wenige europäische Jugendliche und die antisemitischen Massenaufläufe während des letzten Gaza-Konflikts. Während Islamismus und militanter Antizionismus sich heute vor allem als Identifikationsangebote für migrantische Jugendliche darstellen, haben wir es bei P*egida und Co vor allem mit einer abstiegsbedrohten oder bereits abgestiegenen, ehemals konsolidierten Arbeiter- und Angestelltenschicht zu tun. Dieses Flugblatt stellt eine vorbereitende Analyse dieser Ereignisse in Thesenform dar.
1. Pegida-Anhängern geht es nicht um Europa oder die „Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur“ (Pegida-Positionspapier).
Das Milieu, aus dem sich P*egida rekrutiert, hat keine Probleme damit, Griechenland – die ‚Wiege des Abendlandes‘ – aus der EU zu werfen. Es hat auch keine Probleme damit, gegen europäische Sinti und Roma zu hetzen. Es geht Pediga nur insofern um Europa, als sie sich aufgrund der realen Verschränkung der deutschen Politik mit der europäischen Union auf diesen institutionellen Rahmen beziehen muss, wenn sie als „realistische“ Stimme ernstgenommen und gehört werden will. Hauptsächlich beziehen sich ihre Anhänger jedoch deshalb instinktiv auf das „Abendland“, weil sie wissen oder ahnen, dass eine effektive Abwehr der Geflüchteten an den europäischen Außengrenzen organisiert wird. Es ist eine kalte instrumentelle Rationalität am Werk, die sich nicht um irgendeinen Werte-Popanz schert, sondern nur um harte ökonomische Fakten. Daher hat man auch kein Problem damit, ganze Gesellschaften aus der politischen/wirtschaftlichen Union auszuschließen. Europa wird als eine Leistungs- und Wohlstandsgemeinschaft verstanden, die sich abschottet gegen die selbst mitproduzierte globale Verelendung. P*egida ist somit zwar im Kern nationalistisch, versteht es aber doch auch mehr schlecht als recht, ihren Bezugsrahmen ‚realpolitisch‘ auf Europa auszuweiten. Die substanzlose Chiffre Abendland verweist auf eine rein imaginäre Gemeinschaft, die eine bestimmte Funktion innerhalb der Mobilisierung hat: Sie unterstellt einerseits eine Kulturhierarchie, die vor einer „Vermischung“ durch Einwanderer schützen soll. Andererseits soll sie es erlauben, den garstigen ökonomisch-psychologischen Beweggründen der P*egida höhere Weihen zu verleihen.
2. P*egida geht es nicht um „sexuelle Selbstbestimmung“ (Positionspapier).
Auf P*egida-Demonstrationen amalgamieren Testosteron-Hools aus Nazis & HoGeSa und spätsexualisierte Kleinbürger zu einer Masse. Die einen sehen ihre Hegemonie auf dem Terrain der frauenverachtenden, trans*- und homophoben Praxis durch die islamistische Konkurrenz bedroht, die anderen ihr borniertes heterosexuelles Kleinfamilienglück mit klassischer Rollenverteilung durch Genderstudies und Homosexuellenrechte. Damit steht P*egida nicht alleine, sondern ist Teil eines internationalen sexualpolitischen Rollbacks, dessen Ausdruck die Massenmobilisierungen in Frankreich gegen die „Ehe für Alle“, die Demonstrationen gegen „Frühsexualisierung“ in Deutschland oder die ständige Verschärfung der sexuellen Repression in Russland sind. Diese reaktionäre Sexualpolitik dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, dass Russland sich zum einigenden internationalen Bezugspunkt von rechter und linker Querfront gemausert hat, wovon nicht zuletzt die zahlreichen Russlandfahnen auf Pegidademos und sogenannten Friedensmahnwachen zeugen.
3. P*egida geht es nicht um Islamisierung.
Der Begriff ist eine schlecht maskierte Chiffre für ‚Überfremdung‘. Es ist eine Fremdenfeindlichkeit, die in jedem einzelnen Asylanten eine potentielle Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und im Kampf um staatliche Brosamen sieht. Deswegen formierte sich P*egida auch nicht dort, wo tatsächlich verhältnismäßig viele Moslems leben, sondern dort, wo es besonders viele Hartz-IV-Empfänger gibt – wo man strukturell am meisten von Abstieg bedroht ist. Überfremdung ist hier also selbst wieder kaum mehr als eine Chiffre – freilich eine tödliche. Die augenzwinkernde Rede von der Islamisierung ist erfolgreich, weil gerade Anhänger der Bewegung ‚Islamisierung‘ einfach als ‚Überfremdung‘ lesen. Was sie nicht durchschauen wollen, ist das klassisch autoritäre Zusammenspiel aus vergeblicher Bittstellerei an die Oberen, die sich der eigenen Abstiegsängste annehmen sollen, und dem aggressiven Ausagieren des daraus folgenden Frusts auf dem Rücken weitgehend schutzloser Opfer. Dabei kann Pegida insbesondere in Sachsen auf ein Bündnis mit der regionalen Politik setzen, denn da hier ohnehin kaum eine vor den Kopf zu stoßende migrantische Bevölkerung lebt, ist dieses fremdenfeindliche Ticket auch für die regionalen Politiker einfach zu haben. Es muss also in einer erweiterten Analyse von P*egida der Zusammenhang zwischen der konservativen politischen Kultur Sachsens, rassistischen Angriffen, AfD- und NPD-Wahlerfolgen betrachtet werden, ohne zugleich ein bequemes Feindbild aufzubauen, dass in P*egida nur ordinäre Stiefelnazis erkennen will.
4. Das Feindbild von Pegida ist das Zerrbild eines Islams, dessen Gegenstand nicht der Islam selbst als umkämpfte soziale Praxis ist, sondern die einzelne MigrantIn, die nur als Exemplar ihrer Kultur gilt und durch ihre schiere Anwesenheit eine Islamisierung betreibe. „Geburtendschihad“ und „Kopftuchmädchen“ sind nur zwei Stichworte dieses Ressentiments. P*egida geht es insofern doch um ‚Islamisierung‘, als dass sie dem politischen Islam seine Beschwörung einer stabilen Werte- und Produktionsgemeinschaft neiden. Beneidet wird, dass der Islam scheinbar verwirklicht, wozu man selbst nicht imstande ist oder woran man relativ erfolgreich gehindert wird: dass diese Religion gemeinschaftsbildend im politischen Sinn ist. Den Muslimen wird geneidet, dass es eine schlagkräftige islamistische politische Praxis gibt, die eine repressive Gemeinschaft anstrebt oder bereits hergestellt hat. Diese realen Vorgänge der Islamisierung, die von bestimmten politischen Lagern betrieben werden, werden von P*egida auf das Konto der Gesamtheit der als Muslime identifizierten Menschen geschlagen. Die Allmachtsvorstellung der Islamisten wird damit zum projektiv gewendeten Inhalt der Angstlust rassistischer Mobilisierung, die umstandslos auf die Gesamtheit der Muslime übertragen wird. Dass die medial bekannten Salafisten ihren Status als Überflüssige auf dem Arbeitsmarkt nicht nur so gut ertragen, sondern Stolz und Würde daraus ziehen, sich nicht diesen Verhältnissen unterzuordnen, da sie ja die Nestwärme der Umma hinter sich zu wissen glauben und im Koran ein enges Korsett an gemeinschaftsststiftenden Verhaltensregeln vorfinden – das ist es, was angesichts der eigenen objektiven Austauschbarkeit und Ohnmacht Neid erzeugt. Gegen die Verlockungen eines solchen Heldenlebens im Dienste einer sakral aufgeladenen Mission erscheinen ein gemeinsames Weihnachtsliedersingen der Pegida und die Beschwörung der leeren Formel vom ‚christlich-jüdischen Abendland‘ als hilflos.
5. Auch wenn das Feindbild der P*egida ein Zerrbild des Islams ist, müssen die islamischen und islamistischen Praxen Gegenstand einer emanzipatorischen Kritik sein.
Der Antifaschismus kann nicht aus antirassistischen Bedenken halt machen vor einer Bekämpfung des globalen Islamismus. Repressiver Alltagsislam und Islamismus sind keine Einbildungen, die einer vermeintlichen Islamophobie entspringen. Die sich ausbreitende Islamisierung ganzer Gesellschaften im nahen und mittleren Osten und in Afrika zwingt Menschen, sich dem Tugendterror zu unterwerfen oder zu fliehen. In Europa erwarten die Geflüchteten rassistisch bedingte Ausgrenzung und repressive Integration durch die staatlich geförderten konservativen islamischen Gemeinden und Communities. Der Kampf gegen den Rassismus, gegen die staatliche Migrationspolitik hierzulande und gegen den Islamismus gehören deshalb notwendig zusammen. Gegen Rassismus zu sein darf nicht heißen, Kritik am Islam, als Ideologie und als gelebte Praxis, als rassistisch abzutun – durch die Kritik der einen reaktionären Vergemeinschaftungsform darf eine andere nicht paternalistisch zum Schutzobjekt erhoben werden. Das wäre nicht nur zynisch gegenüber all jenen, die vor sich als islamisch verstehenden Regimes aus ihren Herkunftsländern geflüchtet sind, sondern erst recht rassistisch, weil hier, wie von Pegida & Co, ein deterministischer Zusammenhang zwischen Individuum und der diesem unterstellten Kultur und Religion angenommen wird. Das Religionskritikverbot namens „Islamophobie“ reproduziert den rassistischen Kurzschluss von Individuum und Kultur von links. Auch wenn die linken Verteidiger dieses Begriffs den Kurzschluss erkennen und jenen gegen das nicht minder problematische „Islamfeindlichkeit“ ersetzen, ist es das Gros der Vertreter islamischer Interessengemeinschaften, das mit seiner Benutzung dieser Kampfvokabel den rassistischen Kurzschluss bewusst forciert. Dahinter steht das Interesse, einen religiös begründeten Alleinvertretungsanspruch für die entsprechenden Bevölkerungsteile zu behaupten und linke und säkulare Positionen zu marginalisieren. Die Gewalt, die im Namen des Islam verübt wird, zu beschweigen, hieße dieses Terrain der Auseinandersetzung den staatstragenden Parteien und Meinungsführern zu überlassen, die nur zu autoritären Scheinlösungen in der Lage sind: Abschiebung und Gesetze gegen individuelle Freiheit auf der einen Seite, Förderung der konservativen islamischen Gemeinschaften auf der anderen Seite.
6. Der staatliche und lokalpatriotische Antifaschismus ist scheinheilig oder naiv.
Sein primärer Bezugspunkt ist nicht nur sprachlich die eigene Scholle, indem er Leipzig und Deutschland als „bunt“ und „offen“ anpreist. Dieser Aufstand der Anständigen löst die selbstgestellte Frage nach der ‚Würde des Menschen‘ in einen idealistischen und somit leeren Appell an Werte und Moral auf. Er verdrängt, dass es sich letztlich um nichts als die Auseinandersetzung dreht, wie der bürgerliche Staat die Verwaltung der Arbeitskraft – ob autochthon oder ausländisch – profitabel bewerkstelligt. Mit seiner Eventkultur und dem Spektakel aus Trommelei, Clownsarmee und Bühnenmusik ist er der Sonntagsanzug der bürgerlichen Gesellschaft, die in der Alltagskluft ganz selbstverständlich nicht nur MigrantInnen dem Verwertungsprimat unterordnet. Dieselben Parteien, die sich heute als Gegner von P*egida inszenieren, SPD und Grüne, sowie ihre Schwesterparteien von CDU/CSU, haben kaltblütig seit über 20 Jahren im Mittelmeer und Grenzflüssen mehr als 20.000 Menschen ertrinken lassen, weil die ‚Menschenwürde‘ dann eben doch nicht so wichtig war wie die Prosperität des nationalen Kapitals. Dieselben Parteien verurteilen den islamistischen Terrorismus, hofieren aber die autoritär-konservativen islamischen Gemeinden in Deutschland und arbeiten damit der Identifikation von MigrantInnen aus muslimisch geprägten Ländern mit dem Islam in die Hände. Dieselben Parteien stabilisieren auch den globalen Islamismus durch Zusammenarbeit mit dem Iran, Saudi Arabien, Türkei usw. – Ein aktuelles Beispiel: Claudia Roth, Vizepräsidentin des deutschen Bundestags und als moralisierender Medienclown der menschgewordene Inbegriff der bunten Berliner Republik, hielt gestern noch ihr Je-Suis-Charlie-Pappschild in die Kamera, um heute in den Iran zu fliegen, um mit dem größten Sponsor des antisemitischen Terrors in den ‚kritischen Dialog‘ zu treten.
7. Der Aufstand der Anständigen verdrängt ebenso, dass er in der sozialen Frage wie P*egida argumentiert.
Will P*egida dem Standort durch Protektionismus des eigenen Humankapitals zu Wohlstand verhelfen, preist sich Leipzig/Deutschland durch sein Spektakel als ‚offener‘, ‚toleranter‘ und ‚bunter‘ Standort an: In Leipzig ruft das städtische Schauspielhaus sein Ensemble zum Demo-Urlaub auf, der hiesige Student_innenRat konnte mit Hilfe der Rektoren das Aussetzen des Lehrbetriebs erreichen und so den StudentInnen dabei helfen, ihrer Bürgerpflicht nachzukommen, ohne dass zugleich wertvolle credit points in Gefahr geraten. Zugleich waren die monatelang stattfindenden antisemitischen Friedensmahnwachen für diese Art staatlichen und lokalpatriotischen Antifaschismus nicht satisfaktionsfähig. Im Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ treffen sich Grüne, SPD, Parteilinke und Linksradikale – sowohl der bürgerliche Reformismus als auch der linksradikale Utopismus à la „No border. No nation“ sind mit den Schlagworten ‚Weltoffenheit‘ und ‚Toleranz‘ bereits mit ihrem politischem Programm am Ende und folgerichtig auch in einem Bündnis wiederzufinden.
8. In Deutschland werden wir mit einiger Verspätung zu den Zeuginnen des Konsolidierungsprozesses einer autoritären Bewegung. Dieser Prozess ist von gesamteuropäischem Ausmaß.
Ihr parlamentarischer Arm hierzulande ist die AFD. P*egida und Hogesa fungieren – beabsichtigt oder nicht – als Laufvieh für die Etablierung der AFD als institutioneller Kraft. Die Gefahr eines rechten Straßenterrors durch die sich der Bewegung anschließenden Neonazis und den restlichen Mob ist real, wie die Übergriffe am Rande der Demonstrationen von P*egida und Hogesa gezeigt haben. Auch ist die Mobilisierung im Nazimilieu augenscheinlich erheblich. Nichtsdestotrotz wird diese Verbindung von frustrierten Kleinbürgern, organisierten und nicht-organisierten Neonazis und den staatstragenden Funktionären wahrscheinlich vorübergehend bleiben. Die größte Gefahr von P*egida und Co besteht sicherlich darin, indirekt Einfluss auf die Staatsräson nehmen zu können, indem die sie formenden PolitikerInnen dem anhaltenden Druck der Straße nachgeben.
9. Wir sind heute mit der Aufgabe konfrontiert an mehreren unübersichtlichen Linien zu kämpfen.
Auf der einen Seite stehen wir der scheinbar fast allmächtigen Ideologie des Nationalismus gegenüber, der in den entwickelten Ländern die Religion beerbt hat und gesellschaftliche Widersprüche, zuvörderst den Klassengegensatz und das heterosexistische Geschlechterverhältnis zukleistert oder legitimiert. So sehr sich P*egida und ihre europäischen Pendants auch als Umstürzler imaginieren, sind sie mit ihrer konformistischen Rebellion doch nichts als eine besonders aggressive und reaktionäre Strömung desselben nationalistischen Irrsinns, der in seiner weniger chauvinistischen Normalform Konsens ist – man erinnere sich nur an die letzte WM oder eine beliebige Rede von Joachim Gauck. Der rebellische Gestus der Ausländerfeinde verdeckt ihre Feigheit, sich gegen das Kommando derjenigen zu wehren, die wirklich etwas zu melden haben und die erbärmlichen Lebensbedingungen aufrechterhalten – Staat und Kapital. Auf der anderen Seite finden wir den feindlichen Bruder der nationalchauvinistischen Revolte, den djihadistischen Islamismus, der als eine noch brutaler und entschlossener auftretende Option eine große Attraktivität für eine bedeutsame Anzahl an ökonomisch überflüssigen, sozial desintegrierten und perspektivlosen Jugendlichen hat. Es muss darum gehen, diese Scheingefechte als Auseinandersetzungen innerhalb eines Horizonts von Herrschaft und Ausbeutung zurückzuweisen und die Illusionen und die Feigheit der Kämpfenden gegenüber der gesellschaftlichen Ordnung zu denunzieren.
Die schwierige Aufgabe besteht darin, der P*egida-Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen, ihre Mobilisierung zu stören und dadurch zu verhindern, dass es zu einer Selbstberauschung, zu Übergriffen und einem stärkeren Einfluss auf den Diskurs um Flucht, Migration und Abschottung kommt. Dabei darf man sich nicht zum radikalen Flügel der großen Koalition von Linkspartei bis CSU machen oder in die Islamophobie-Falle tappen. Gleichzeitig muss aber überlegt werden, wie der über das Spektakel von P*egida hinausgehenden autoritären Strömung in Europa begegnet werden kann. Dies wird nicht durch ein Bündnis mit den herrschenden (links-)liberalen Parteien und ihren Vorfeldorganisationen gehen, sondern nur durch die Entwicklung gesellschaftlicher Initiativen jenseits der Repräsentation. Das hieße aber perspektivisch zu versuchen, die Existenz als Szene/Subkultur zu überwinden und sich innerhalb der eigenen Lebensumstände zu organisieren und mit anderen zusammenzutun: am Arbeitsplatz, im Stadtteil, in der Kommune. Selbstorganisation, Verständigung, Assoziation und Widerstand gegen die sozialen, politischen, ökologischen und kulturellen Zumutungen der herrschenden Ordnung ist auf lange Sicht die einzige Möglichkeit, den immer wiederkehrenden Durchbrüchen der Barbarei ein Ende zu machen. Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie sind Formen, die realen sozialen Konflikte (ökonomische Ausbeutung, Sexualunterdrückung, Hierarchien, Ausgrenzung) auf Ersatzobjekte zu verschieben. Die beste Prävention gegen diese Verschiebung wäre es, diese Konflikte zum offenen Austrag und die ihnen zugrundeliegenden Verhältnisse ins Wanken zu bringen.
Brigade Rosa
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