Liste der 42 Forderungen der gilets jaunes

Wir dokumentieren hier die Liste der 42 Forderungen der Gelben Westen erstmals in deutscher Übersetzung. Zum Entstehungshintergrund: Die Liste beruht auf Umfragen in Online-Gruppen, die für die Mobilisierung und Organisierung der Proteste der Gelben Westen bedeutsam waren. Die Fragen wurden von den AdministratorInnen erstellt und hatten kategoriale Vorgaben. Realpolitische Belange wurden mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten abgefragt. Es ist schwer einzuschätzen, wie repräsentativ diese Liste ist. Es ist jedoch unseres Wissens der wichtigste derzeit existierende Forderungskatalog. Zahlreiche KommentatorInnen der Proteste beziehen sich in ihren Einschätzungen auf die Forderungen, z.B. Samuel Hayat in Moral Economy, Power and the Yellow Vests. Die Liste der 42 Forderungen ist daher für eine Analyse der Bewegung unerlässlich.

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  1. Keine Obdachlosen: DRINGEND!
  2. Mehr Progression bei der Einkommenssteuer (mehr Stufen).
  3. Mindestlohn von 1300 Euro netto.
  4. Kleine Unternehmen in Dörfern und Innenstädten begünstigen. (Aufhören, Einkaufsgebiete um die großen Städte zu errichten, die den kleinen Handel zerstören) + kostenloses Parken in den Innenstädten.
  5. Umfassendes Konzept zur Gebäudedämmung. (Umweltschutz betreiben, indem man die Haushalte sparen lässt.)
  6. Dass die GROSSEN (Macdonalds, google, Amazon, Carrefour) auch VIEL zahlen und die kleinen (Handwerker, TPE PME) [1] wenig.
  7. Gleiches Sozialsystem für alle (inbegriffen Handwerker und Einzelunternehmer). RSI abschafen.[2]
  8. Das Rentensystem muss solidarisch und darum gemeinschaftlich bleiben. Keine Punkte-Rente.[3]
  9. Ende der hohen Steuern auf Treibstoff.
  10. Keine Rente unter 1200 Euro.
  11. Alle gewählten Vertreter werden Recht auf ein durchschnittliches Einkommen haben. Ihre Reisekosten werden überwacht und erstattet, sofern sie gerechtfertigt sind. Recht auf Essensgutscheine und Ferienschecks.
  12. Die Löhne aller Franzosen sowie die Renten und die Sozialbezüge müssen an die Inflation gekoppelt werden.
  13. Die französische Industrie schützen: Standortverlagerungen verbieten. Unsere Industrie zu schützen heißt, unser Know-how und unsere Arbeitsplätze schützen.
  14. Ende der Entsenderichtlinie.[4] Es ist nicht normal, dass eine Person, die auf französischem Boden arbeitet, nicht dieselben Rechte und dieselbe Bezahlung genießt. Jeder, der berechtigt ist, auf französischem Boden zu arbeiten, muss einem französischen Staatsbürger gleichgestellt sein; sein Arbeitgeber muss Beiträge in derselben Höhe für ihn entrichten.
  15. Zur Sicherheit der Beschäftigung: Die Anzahl der befristeten Verträge noch weiter verringern. Wir wollen mehr unbefristete Verträge.
  16. Das CICE abschaffen.[5] Das Geld benutzen, um eine französische Industrie für wasserstoffbetriebene Autos zu gründen (was wirklich ökologisch wäre, anders als das Elektroauto).
  17. Ende der Austeritätspolitik. Wir hören auf, die Zinsen zu bezahlen, die wir für illegitim erklären, und fangen an, die Schulden zurückzuerstatten, aber ohne das Geld von den mehr oder weniger Armen zu nehmen, sondern indem wir die 80 Milliarden Euro suchen, die durch Steuerbetrug verschwunden sind.
  18. Dass die Ursachen erzwungener Migration bekämpft werden.
  19. Dass Asylbewerber gut behandelt werden. Wir schulden ihnen Unterkunft, Sicherheit, Nahrung in gleichem Maß wie Bildung für die Minderjährigen. Arbeitet mit der UN zusammen, damit in vielen Ländern Aufnahmezentren geöffnet werden, solange auf das Ergebnis des Asylantrags gewartet wird.
  20. Dass diejenigen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, in ihr Heimatland zurückgeführt werden.
  21. Dass eine wirkliche Integrationspolitik gemacht wird. In Frankreich leben impliziert, französisch zu werden (Französischkurse, Kurse zur Geschichte Frankreichs, Kurse in Sozial- und Gemeinschafskunde mit Zertifikat am Ende).
  22. Einen Maximallohn von 15.000 Euro festlegen.
  23. Dass Arbeitsplätze für Arbeitslose geschaffen werden.
  24. Erhöhung der Sozialhilfen für Behinderte.
  25. Mietpreisbremse; Wohnungen mit gemäßigter Miete (vor allem für Studenten und prekär Beschäftigte).
  26. Verbot, Güter zu verkaufen, die Frankreich gehören. (Flughäfen blockieren…)[6]
  27. Umfassende Mittel für Justiz, Polizei, Gendarmerie und Armee. Dass Überstunden der Sicherheitskräfte bezahlt oder abgefeiert werden können.
  28. Die Gesamtheit des Geldes, das durch die Autobahnmaut eingenommen wird, muss der Instandhaltung der Straßen und Autobahnen Frankreichs sowie der Verkehrssicherheit dienen.
  29. Da Strom und Gas seit der Privatisierung teurer geworden sind, wollen wir, dass sie wieder öffentlich werden und dass die Preise deutlich sinken.
  30. Sofortiges Ende der Schließung kleiner Bahnlinien, Poststellen, Schulen und Geburtskliniken.
  31. Sorgen wir dafür, dass es älteren Leuten gut geht. Verbot, auf Kosten alter Leute Geld zu machen. Das graue Gold ist vorbei.[7] Die Zeit des grauen Wohlbefindens beginnt.
  32. Höchstens 25 Schüler pro Klasse von Kindergarten bis Oberstufe.
  33. Der Psychiatrie umfassende Mittel zukommen lassen.
  34. Die Volksabstimmung muss in die Verfassung. Eine lesbare und effiziente Internetseite schaffen, die von einer unabhängigen Kontrollorganisation überwacht wird, und wo Leute Gesetzesentwürfe vorschlagen können. Wenn ein Entwurf 700.000 Unterschriften erhält, muss er von der Nationalversammlung diskutiert, vervollständigt, verbessert werden; diese hat dann die Verpflichtung, den Entwurf auf den Tag genau ein Jahr nach Erhalt der 700.000 Stimmen der Gesamtheit der Franzosen zur Wahl zu stellen.
  35. Rückkehr zum 7-Jahres-Mandat des französischen Präsidenten. (Dass die Wahl der Abgeordneten zwei Jahre nach der Präsidentenwahl stattfand, hat ermöglicht, dem Präsidenten ein positives oder negatives Signal bezüglich seiner Politik zu senden. Dies trug dazu bei, die Stimme des Volkes hörbar zu machen.)
  36. Rente mit 60; für alle, die körperliche Arbeit verrichtet haben (Maurer, Fleischer etc.) Recht auf Rente mit 55.
  37. Da ein sechsjähriges Kind nicht auf sich selbst aufpassen kann, müssen die PAJEMPLOI-Bezüge weitergezahlt werden, bis das Kind 10 Jahre alt ist.[8]
  38. Warentransporte mit dem Zug fördern.
  39. Keine Quellensteuer.[9]
  40. Die Vergütung der Präsidenten auf Lebenszeit abschaffen.
  41. Verbot, Händler eine Steuer zahlen zu lassen, wenn ihre Kunden mit Karte zahlen.
  42. Steuern auf Treibstoff für die Seefahrt sowie auf Kerosin.

(Quelle: https://blogs.mediapart.fr/jeremiechayet/blog/021218/liste-des-42-revendications-des-gilets-jaunes)

Anmerkungen der ÜbersetzerInnen:

  1. TPE: «Très petites entreprises»: Sehr kleine Unternehmen mit bis zu zehn Angestellten. PME: «Petites et moyennes entreprises»: Kleine bis mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Angestellten.
  2. RSI: «Régime social des indépendants»: private Sozialversicherung für Selbstständige.
  3. «Retraite à points»: Teil der geplanten Rentenreform Macrons, die ein Punktesystem zur Berechnung der Rentenbezüge vorsieht.
  4. «travail détaché» bezieht sich auf die „Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen“ von 1996.
  5. CICE: «Crédit d’impôt pour la compétitivité et l’emploi»: Steuergutschrift zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit französischer Unternehmen. Umfasst 20 Milliarden Euro pro Jahr und ist seit 2013 in Kraft.
  6. «barrage aéroport…» bezieht sich auf die Privatisierung mehrerer französischer Flughäfen seit 2015.
  7. «L’or gris»: Das graue Gold; gemeint sind die ökonomischen Möglichkeiten, die alte Menschen für Versicherungsunternehmen und andere Wirtschaftszweige darstellen.
  8. Sozialhilfe zur Betreuung von Kindern erwerbstätiger Eltern.
  9. «Prélèvement à la source»: eine Reform, die ab dem 1.1.2019 in Kraft tritt.

Hier klicken für eine PDF-Version der 42 Forderungen.

 

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